Meine Rhythmen und Tiden anerkennen

Endlich wieder am Meer!!! Es sind herrliche Tage auf ‚meiner‘ Nordseeinsel. Gerne möchte ich euch an meinem Erleben und mäandernden Gedanken teilhaben lassen.

‚Die See‘, ganz besonders die Nordsee, hat mich schon als Kind sehr fasziniert, und seit vielen Jahren zieht es mich regelmäßig hierher, auf die schönste aller Inseln (es ist nicht Sylt!).

Hier bloggt Solveig Schäfer. Falls du mehr über mich und meine Angebote erfahren möchtest, kannst du auf meiner ‚Über mich‘-Seite vorbeischauen.

Die herrlich duftenden Heckenrosen sind überall entlang der Wege (Foto + Copyright: Solveig C. Schäfer)

Ich bin umgeben von blühenden pinkfarbenen und weißen Heckenrosen, Wald, Wiesen- und Dünenlandschaften. Richtung Watt sehe ich die Halligen. Viele kleine Kaninchen und freilaufende Fasane bewirken in mir ein paradiesisches Daseins-Gefühl, genau wie die vielen Pferde und Schafe auf den Weiden. Zu allen Seiten ist das Meer: es kommt und geht, an jedem Tag zu versetzten Zeiten und in unterschiedlicher Ausprägung. Die Möwenrufe, der unendlich lange Strand und die unzählbaren Vogelfamilien, die hier gerade ihre Jungen aufziehen: tiefes Durchatmen und große Freiheitsgefühle erlebe ich, wenn ich hier auf der Insel bin. Im Sommer ist es einfach besonders herrlich!

 

Ebbe und Flut

Mal ist das Wasser da, mal nicht. Das Wort für diese Wechsel heißt auch Gezeiten, oder auch ‚Tiden‘, vom alten Wort ‚Tid‘ = Zeit. Ebbe und Flut gibt es in allen Meeren, jedoch nur selten (wenn nicht sogar einmalig) gibt es so eine ausgeprägte Wattenmeer-Landschaft wie hier in der Nordsee. Auf der Website des ‚Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie‘ heißt es „Die Gezeiten sind die sich regelmäßig wiederholenden Wasserbewegungen der Meere. Sie werden durch die Anziehungskräfte von Mond und Sonne angetrieben. Wie die Meeresgezeiten an einem bestimmten Ort in Erscheinung treten, wird aber auch wesentlich von der Form und Tiefe der Meere beeinflusst.“ Ebbe und Flut sind prägend für die Wattenmeer-Landschaft, das auflaufende und das ablaufende Wasser bestimmen die Rhythmen von Menschen und Tieren. Meine Gedanken mäandern am Thema ‚Ebbe und Flut’ entlang wie die mäandernden Priele, die das Wasser bringen und holen. Ja, dieser Rhythmus hat auch etwas mit mir zu tun.

Wattenmeer, Leute knien im Watt, lebende Herzmuscheln vor sich, die sich wieder in den Sand eingraben

Wattwanderung im Wattenmeer und lebendige Herzmuscheln beobachten (Foto Solveig C. Schäfer)

 

Tiden in meinem Kunstschaffen

Während ich mich Ebbe und Flut aussetze … kommen automatisch Fragen hoch im Hinblick auf mein künstlerisches Schaffen. Zwei davon möchte ich mit euch teilen.

1. Weshalb denke ich eigentlich, ich kann jederzeit – wann ich es will – energievoll malen (also Flutzustand haben)? Und bin übellaunig oder gereizt, wenn es nicht ‚so läuft‘…🤪

Meine Erfahrung zeigt mir: ich kann nicht zu jeder Zeit energievoll malen. Und es hilft wenig, dagegen anzukämpfen und mit Krampf in einen ‚energievollen Modus‘ zu kommen. Manchmal klappt das vielleicht, aber macht kaum Spaß. Es scheinen wohl auch in mir Naturgesetze wirksam zu sein. Der Gedanke erleichtert mich. Ich bin nicht ‚schlecht drauf‘, nur weil mal Ebbe ist. Es ist Ebbe, weil Ebbe ist, weil dies der Rhythmus ist.

Loslassen… Rhythmus finden … was jetzt weg ist … kommt bald wieder zurück. Vielleicht braucht ‚Ebbe-Malen‘ andere innere und äußere Vorbereitung und Haltung als ‚Flut-Malen‘. Wie könnte das aussehen? Welche Voraussetzungen kann ich selbst schaffen, damit ‚fließen darf, was fließen will, und wie es will‘ ?

Vorbereitungen könnten sein:

  • ein aufgeräumtes Atelier, saubere Pinsel, frisches Wasser
  • ausreichend Schlaf, genug getrunken haben
  • eine passende energievolle Musik anmachen. Zu Beginn etwas tanzen 💃
  • vorab die Überlegung: was ist jetzt meine Intention? Wo möchte ich mit dem Bild, den Bildern hin? und ggf. die Vorbereitungen dafür treffen (z.B. Sand mit Gesso und Binder anrühren, oder Collagepapiere bereitlegen; Unnötiges wegräumem)
  • die Farbauswahl festlegen, vielleicht eine reduzierte Palette
  • einen Timer stellen und eine Zeitbox für die 1. Malsession (40 Minuten sind für mich gut)
  • mich auf die Flut-Energie einlassen und energievolle ‚Marks‘ setzen, entweder auf neuem Papier / Leinwand, oder im Skizzenblock: Fahrt aufnehmen, die Energie in Fluss bringen.

Idee: meine ‚Tiden‘ zu notieren, könnte hilfreich sein. Wann ist meine ‚Flut‘ da, die mich in den leichten und fließenden Fluss bringt? Bio-Rhythmus?

Ist es jeden Tag morgens, oder jeden Tag abends, oder gar zweimal am Tag für je 2 Stunden? Ist es evt. sogar nur an wenigen Tagen in der Woche so, dass bei mir ‚das Wasser aufläuft‘, d.h.: meine inneren kreativen Säfte vollständig der Küste zuströmen? (Die Küste könnte in diesem ‚Bild‘ das ‚Land‘ sein… das Gemälde, das ich erschaffen möchte).

Strand, Strandkörbe Nordsee

Der herrliche Kniepsand bei bestem Wetter Ende Mai 2024, Foto: Solveig C. Schäfer

 

Bei der Flut hier auf der Insel weht oft (nicht immer) ein starker Seewind, der sogenannte ‚auflandige Wind‘. Er weht vom Meer zum Land, der Sand rauscht dann nah am Boden über den Strand, und man ist froh, wenn man dann geschützt im Strandkorb sitzen kann. Das Meer kommt kraftvoll und in Wellen angerollt, mit weißen Schaumkronen. Ich mag diese Energie sehr. Aber sie ist auch etwas anstrengend, fordernd, vorwärtsdrängend. Auf Dauer wäre ‚nur Flut‘ echt enorm kräftezehrend.

2. Wenn das Wasser abläuft, ist das doch auch Energie, oder?

Ja. Aber es ist eine unangestrengte Energie im Vergleich zur Flut-Energie. Das Wasser läuft einfach ab, raus. Die Kräfte, die wirken, sind wohl da, aber sie sind wenig im Wasser sichtbar. Nur die kräuseligen auswärts ziehenden Strudel und Wellen, die es zu den Prielen hinzieht zeigen die Energie an. Es sind die Anziehungskräfte von Sonne und Mond, die da wirken, das Wasser folgt nur. Genauso ist es bei Flut. Aber bei Flut sind auch die Wellen da, und da kommt man leicht auf den Gedanken, das Wasser selbst würde das produzieren.

Ablaufendes Wasser, Ebbe bis zum Trockenfallen: der Boden wird sichtbar. Die Wattwürmer machen ihre Häufchen, alle Vögel kommen herbei und laben sich am voll gedeckten ‚Watt-Tisch‘. Wäre keine Ebbe, würden viele Vögel nur schwer an ihr Futter kommen, oder gar keines finden. Eine ruhige Zeit des Futtersammelns und der Wattwanderungen und Erkundungen.

Bei ablaufendem Wasser herrscht am Strand eine ganz andere Stimmung.

Irgendwie ruhig …. etwas zieht raus auf’s Meer…. bei Hitze kann es mitunter komplett windstill werden bei Ebbe.

Man kann noch lange schön im Meer baden bei ablaufendem Wasser (aber nie zu weit hinausschwimmen!), denn das Wasser ist eher ruhig. Auch die Surfanfänger und Kite-Surfer üben bei Ebbe in Flachwasser, bei wenig Wind. Das Meer zieht sich zurück … man kann beobachten, wie es Muster formt … um dann in den großen Prielen noch weiter meerwärts zu drängen. Schöne Wellenmuster entstehen, geformt von Wasser, Sand und Wind.

Plötzlich erheben sich Sandbänke, die vorher unter dem Wasser lagen … Dinge kommen zutage, die vorher bedeckt waren. Man kann Treibgut, Bernstein, Muscheln finden … – Ebbe ist so viel mehr, als wir oft denken.

Es ist eine stilles sich Versenken…. ‚Darüberliegendes‘ ablaufen lassen …. auf den Grund sehen, auf den Grund gehen.

Wattwurm-Häufchen …

Übertragen auf meine Malerei ist auch dies eine sehr spannende Zeit!
Ich frage mich: Wie könnte ich mich bei ‚Ebbe-Zeit‘ innerlich auf’s Malen vorbereiten?

  • mich einstellen auf eine ruhigere Energie. Eine Loslass-Energie.
  • Vielleicht kann ich auch passende ruhige Musik anmachen (bei Flut-Zeit vielleicht eher energievolle, rockige)
  • dem ‚Ziehen‘ meiner Seele nachgeben … Sehnsucht zulassen …
  • meine Farben entsprechend auswählen…
  • mich auf Muster, Vögel und Wattwürmer einstellen 🙂  : was will sich da alles an Gewimmel zeigen auf meinem Bild, und lasse ich es zu? Beachte ich auch die kleinen ‚Löcher im Sand‘ ? (im Watt verbergen sich dort meist Herzmuscheln :-).
  • Die Freude an der Ruhe…. und auch an dem ‚Weniger‘.
  • vielleicht sind die ruhigen Motive und die sehnsuchtsvollen Farben eher die der Ebbe-Zeiten, wer weiß

Und in alledem erlebe ich die große Lehrmeisterin Natur … die Schöpfung, die mich so Vieles lehrt. Wenn ich es doch nur ergreifen könnte in meinem kleinen Leben.

me at the beach :-) 🏖️

Meinen Rhythmus zu verstehen und anzunehmen und in einer großen Gelassenheit meine persönlichen Gezeiten zu leben, das ist es, was ich lernen möchte.

Ich wünsche jeder Leserin, jedem Leser, dass auch du deine eigenen Gezeiten erkennst und anerkennst und dein Leben demgemäß dir zu leben ERLAUBST. Das Wattenmeer macht es uns vor.

Sehr gerne würde ich hören, wie du ‚Flut-Zeit‘ und ‚Ebbe-Zeit‘ in deiner Kreativität erlebst. Was tut dir gut bei Ebbe? Was bei Flut? Und auch die umgekehrte Frage: Was tut in einer Ebbe-Zeit nicht gut? Und was schadet deinem kreativen Schaffen in einer Flut-Zeit?

Da jeder von uns völlig anders ist, kommen hier sicher viele verschiedene Einsichten zusammen. Ich freue mich, wenn du mit uns dein Erleben teilst.

herzliche Grüße,
Solveig

PS– Melde dich gerne für meinen Kreativbrief (E-Mail Newsletter) an, wenn du für dein schöpferisches Leben inspiriert werden willst. Ich schreibe von meinen eigenen Erfahrungen als Künstlerin, rund um Kunst, Malerei, Kreativität, Kreativgemeinschaft und anderes mehr. Ab und zu auch eine Einladung und Nachricht, wenn ich wieder etwas Kreatives anbiete.

Außerdem gibt es auf Facebook meine ‚Kunst auf’s Herz‘ Gruppe, in die du auch gerne kommen kannst. Einfach bei Suche ‚Kunst auf’s Herz‘ eingeben.

Dieser Artikel erschien zuerst unter solveigschaefer.com/blog am 2. Juni 2024 / Copyright Text und Bilder: Solveig C. Schäfer

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