Hier bloggt Solveig C. Schäfer, Grafikerin, Malerin, Autorin & Artistic Educator. Ich freue mich über Austausch, schreibe gerne deine Gedanken und Kommentare unter den Artikel, ich antworte auf jeden  

 

Richtig gut Feedback geben – und gekonnt nehmen.

Es ist spannend, wie divers Menschen reagieren, wenn du ihnen etwas von dir Erschaffenes zeigst: etwas das gerade ‚frisch auf die Welt‘ kommt, wie ein Baby.

Stell’ dir vor, du hast gerade ein Baby zur Welt gebracht, und die ersten Besucher sagen „Herzlichen Glückwunsch, aber uhhh, das ist ja ein fremdartiges Baby und es hat ja überhaupt keine Haare auf dem Kopf, und naja, also ich finde die Ohren viel zu groß“. Das wäre ziemlich lieblos, stimmt’s?

Und doch gehen wir miteinander beim Erschaffen und Erstbetrachten von kreativen Werken oft genau so um.

Ob neue Website, selbst gestalteter Flyer, frisches Manuskript, genähtes Kleid, umgebauter Caravan, ob ein Gemälde, ein neuer Song oder ein gestalterischer Entwurf …

Man würde meinen … alle Freunde und Bekannten freuen sich erstmal einfach mega mit dir, denn Du hast dich so etwas Mutiges getraut und du hast so viel Zeit, Mühe und Energie investiert und die Arbeit getan! You did it!

Doch weit gefehlt. Das ist nicht so, war nie so und es wird wohl leider auch niemals so sein.

Dessen darfst du dir bewusst sein, wenn du etwas kreierst und mit der Welt teilst, und vielleicht musst du es auch erst am eigenen Körper erfahren: Viele Menschen können sich nicht einfach mitfreuen und das Gute zuerst mal mit ‚Be-Achtung‘ würdigen, sondern sie müssen (anscheinend) zuallererst mal kritisch sein und die ‚Fehler finden‘. Und darin sind manche Menschen besonders gut: Anderer Leute ‚nicht gut genug‘ aufzudecken, und an einem Maßstab messen, der der Ihrige ist. Ich vermute, dass dies stark damit zu tun hat, dass diese Menschen sich selbst nicht zutrauen, ihre Gaben auszusäen und wachsen zu lassen. Viel lieber verschanzen sie sich hinter Korrekturangaben und Kritik. Das ist ja auch viel einfacher, denn als Kritikerin muss ich mich nicht verletzlich machen, sondern habe einen dicken Panzer an. Dahinter verbirgt sich oft tiefe Minderwertigkeit und oft genug ‚the German Angst‘.

“Gewinner haben keine Angst vor dem Verlieren. Verlierer schon. Misserfolge sind Teil des Erfolgsprozesses. Wer Misserfolge vermeidet, vermeidet den Erfolg.”

 

Robert T. Kiyosaki

Ich bin dankbar für jeden Menschen, der mich und meine Kreativprojekte, meine Bilder und Texte wohlwollend betrachtet und mir Gutes will. Auch korrektive Kritik hat ihren Platz. Jedoch, Achtung: Es gibt beim ‚kritischen Feedback-Geben’ ein paar Dinge zu beachten. Diese darf und will auch ich selbst lernen. Ich habe ein paar hilfreiche Tipps gesammelt (s. Ende des Artikels), die wir als Feedback-Geberinnen wie auch als Feedback-Nehmerinnen beherzigen können, gerade in der kreativen schöpferischen Arbeit. Denn so können wir uns wirklich unterstützen und ermutigen.

Kleine Story aus meinem eigenen Erleben:

Meine neue Website war neulich – nach viel Arbeit und längerer Werdezeit – endlich online gegangen. Sie war (und ist) nicht fertig, und natürlich ist sie unvollkommen und beständig im Wandel. Es werden neue Angebote, aktuelle Blog-Artikel, fantastische (☺️) Bilder und Fotos ihren Weg auf die Seite finden. Auch kleine Schreibfehler tummeln sich dort, werden korrigiert, dafür kommen dann wieder neue Texte hinzu und so … geht es unperfekt weiter.

Da ich mittlerweile gelernt habe: better done than perfect, und dem perfektionistischen Anspruch ‚es muss 100% richtig und fertig-sein‘ schon längst abgesagt habe (was für ein herrliches Leben ich führe!) – war und ist es für mich völlig okay, die Seite freizuschalten, damit ich dann online daran weiterarbeiten kann. In meinem (etwas naiven) Überschwang’ teilte ich die Nachricht ‚meine neue Website ist Online, schaut gerne mal rein’ – mit vielen Bekannten, Freunden und Verwandten. Ich geb’s zu: ich hatte insgeheim gehofft, ein Füllhorn an Anerkennung und Mitfreude zu erhalten (vermutlich auch, um mein ‚Ego‘ damit etwas aufzubauen.. )  … ahhhhh !  😉

Nun … – ich habe etwas Wichtiges gelernt dabei.

Frage an dich:

Wie gibst du einem Menschen eine erste Rückmeldung, der gerade etwas ‚frisch Erschaffenes‘ mit dir teilt, es dir einfach zeigen will – und sich damit ja ziemlich verletzlich macht?

Einem Freund oder Bekannten, der einfach zu dir sagt: „hier schau mal, habe ich gemacht, ist ganz frisch, magst du’s dir mal anschauen?“ Also definitiv keine Bitte um Korrekturlesen, Fehlerauffindung, keine Bitte um ‚was würdest du anders machen‘, etc.

Mein Erleben war dies: Ich bekam ein weites Spektrum an Rückmeldungen auf meine Website. Darüber habe ich mich gefreut. Es gab auch Menschen, die mir gar keine Rückmeldung gaben, die komplett schwiegen. Ich erhielt sowohl ganz ausführlich wunderbares, kurz anerkennendes, schönes, kurz & knappes wie auch negativ-kritisches und ja, auch sehr subjektiv-geschmäcklerisches Feedback.

Der Anteil der ‚also ich würde das eher so machen‘-Informationen oder ‚Optimierungs-Rückmeldungen‘ war doch relativ hoch, was mich in dem Moment sehr erstaunte.

Vielleicht auch nicht höher, als die positiven Rückmeldungen, aber naturgemäß (?) fällt das ‚Kritische‘ mehr ins Gewicht, auch in meinen sensiblen Öhrchen. 😉

Anscheinend sind wir – in dieser Gesellschaft? – so gepolt, dass es eigentlich IMMER und auch immer SOFORT ein ‚kritisches Feedback‘ geben muss, das ‚ordentlich schwergewichtig‘ zu sein hat. Und immer schön auf ‚Hundertprozentigkeit‘ aus ist. Muss ja, gell?!?

Den ungefragten ‚kritisch-aber-ich-mein-es-ja-konstruktiv‘-Feedback-Gebern ist dabei oftmals nicht klar, das sie die Sache ja auch nur durch ihre eigenen subjektiven Augen und Filter sehen. Und dass Vieles einfach mit Geschmack, mit Lesegewohnheiten, mit Interessen zu tun hat.

Es ging bei diesen kritischen Feedbacks um Dinge wie

  • Fehlerauffindung en detail und Benennung
  • Infos, was man ‚besser‘ machen könnte
  • Hinweise auf Fehlendes
  • Hinweise auf ‚Zuviel‘
  • Hinweise à la ‚also das gefällt mir nicht‘
  • Kritische Vermerke zu ‚verwirrenden Sätzen‘
  • ‚also für meinen Geschmack ist der Text zu lang, so viel lese ich nicht‘

 

„Misserfolge sind Wegweiser auf dem Weg zum Erfolg.“

C. S. Lewis

 

Schön war: ich bekam von einigen Menschen auch richtig freundliches, wertschätzendes, liebevolles, ja sogar begeistertes und richtig wohltuendes Lob. Ja Lob. Und nein: Lob stinkt nicht. Auch Eigenlob stinkt nicht. Aber das Lob von anderen wiegt schwerer als Eigenlob.

Wir brauchen es alle. Es motiviert uns. Es stärkt uns wieder nach getaner Arbeit. Es gibt uns Kraft, weiterzumachen. Und: wir dürfen uns nie nie nie davon abhängig machen!

Ich möchte mich und dich animieren: Lasst uns mehr zu Anerkennenden, Lobenden, Wertschätzenden werden.

10x Lob auf 1x Kritik. Das wäre toll! Und wir wären alle glücklichere Menschen, davon bin ich überzeugt. Ich bekam anerkennende, liebevolle Rückmeldungen, die den ersten Fokus auf das Gute und Gelungene legten, und über das Unvollkommene einfach schwiegen (und es aushielten!!!). Das waren für mich natürlich die schönsten Rückmeldungen, ist ja klar. :-). Diese Leute werde ich nur zu gerne fragen, ob sie die Seite auch nach Fehlern, Brüchen oder Fehlendem bitte nochmal durchgehen würden, um mir das dann mitzuteilen.

Wir alle könnten so viel mehr davon gebrauchen – von Anerkennung, Fokus auf das Gelungene, Lob, speziell die Kinder (!!!): Um an unsere kreative Kraft heran zu kommen, zu erfinden, zu spielen, Neues zu probieren, mutiger zu werden. Damit daraus geistreiche, kreative Erwachsene werden, die nicht von der ‚Angst vor dem Fehlermachen’ regiert und kleingehalten werden, sondern beseelt sind von der Lebensfreude, die schöpferisch ist, die erschafft – und schreibt – und malt – und erfindet – hinfällt – 99 Fehler macht – ohne Angst – erfinderisch und freudvoll lebt!

Was schön ist, ja, was das Herz richtig freut, sind die Rückmeldungen, die einfach nur mal das Gute sehen und es aussprechen.

Die das Schöne sehen und beim Namen nennen und einfach Wertschätzung ausdrücken, im Sinne von: „Ich sehe, was du da erschaffen hast, und ich erkenne es als wertvoll an. Ich erkenne darin das Schöpferische, und wieviel Zeit und Energie du investiert hast.“

Menschen die das sagen, sind meines Erachtens die echten Influencer und Sinnfluencerinnen. Sie sind wie Öl im Getriebe der stahlharten Gesellschaft … wie Wasser auf trockenen Felder … warm wie das Sonnenlicht. Sie sind wie das Seil, welches das Wasser aus dem Brunnen hochzieht.

Wir brauchen davon viel mehr.

Lasst uns doch stärker das GUTE, das Lebendige, das Schöpferische zuerst sehen und benennen!

Mit Punkt und Sprech- und Atempause.

Alleinig das Gute. Mal. Für eine Weile. Aushalten.

Ja, ich kenne ihn auch, den Spruch: Kritik sollte immer schön als Sandwich präsentiert werden – was Nettes vorher und was Nettes hinterher.

Was ich mich frage ist: Warum um alles in der Welt, geben Menschen überhaupt diese Art von

  • analytisch-lehrerhaftem, belehrendem, kritischen
  • Von ‚Mangelblick‘, ‚Mangelsuche‘
  • Von ‚das fehlt noch, das ist noch nicht richtig, das finde ich nicht gut‘ Feedack,…

wenn sie mit keinem Wort darum gebeten wurden?

Warum?

Fühlt sich der Mensch nur dann ‚wichtig‘ und seinen Beitrag als ‚hochwertig‘ oder klug und intelligent genug, wenn er oder sie die ‚kritisch-analytisch-Brille‘ aufsetzt?

Mir kommt es oft so vor. Ich muss mir da auch an die eigene Nase fassen. Und offen gesagt: mich macht das traurig. Und wütend auch irgendwie. Denn das ist ja eine Kultur, die wir damit prägen und weitergeben. Das fängt schon bei den ganz kleinen Kindern an, geht weiter in der Schule… : Bewertung, Kritik, Fehlerauffindung, Korrektur, Korrektur, Korrektur – statt das Gute, die Stärken sehen und fördern und loben – und zu FEIERN! Und auch die Fehler, den Mut des Ausprobierens, den Prozess und den (oft ungeraden – also gewundenen) Weg zu feiern, ja, regelrecht zu zelebrieren! Warum gibt es keine Benotung für Prozesshaftes, für den Weg, für Mut, Erfindergeist und spannende Zwischenschritte? Wäre ich Kultusministerin, würde ich dies als erstes ändern.

Wohlgemerkt, mir geht es nicht darum, generell kein kritisches Feedback zu wollen oder das abzulehnen. Nein. Augen, die mit frischem Blick Korrektur lesen, sind Gold wert und wichtig.

Jedoch: Alles zu seiner Zeit! Und vor allem auch: zielgerichtet.

Wenn ich ein Buch drucken lassen möchte, muss mein Lektor meine Texte lektorieren, und es gibt auch Korrekturen von anderen Leuten, denn ich selbst bin zu sehr mit meinem Schreiben verbunden. Wenn ich als Grafikerin Broschüren oder Finanzberichte gestalte, sind mehrere Korrekturrunden unglaublich wichtig. Frische Augen, frischer Blick, Gegenprüfung, usw. Alles mega wichtig, ohne Frage!

Alles hat seine Zeit.

Anerkennung hat seine Zeit.

Fehlerhafte Punkte aufzeigen und korrigieren hat seine Zeit.

Für mein Empfinden wäre es schön und nützlich, wenn beides zeitlich etwas voneinander getrennt würde.

Wenn das Positive, das Lob, die Anerkennung einfach mal zuerst genannt würde und dastehen dürfte. Für sich.

Einfach als vollständiger Satz.

Ohne, dass im zweiten Atemzug kommt „Wow, toll. Aber das und das würde ich anders machen und an der Stelle habe ich auch drei Fehler gesehen und der Satz nach dem Absatz ist total unklar, ich verstehe gar nicht, was du damit sagen willst, und interessiert das überhaupt jemanden? Ich verstehe auch überhaupt nicht, wen du damit erreichen willst, und was genau bietest du überhaupt an? Und also ich lese nicht gerne so viel Text und überhaupt, weiße Schrift auf Bildern, das macht man doch nicht.“

 

“Der größte Fehler, den du im Leben machen kannst, ist die permanente Angst, einen Fehler zu machen.”

 

Elbert Hubbard

 

Meine Tipps für die Kunst der Rückmeldung:

Nehmen:

Tipp 1: Du wirst immer ein ganzes Spektrum an Rückmeldungen bekommen, wenn du dich mit etwas von dir neu Geschaffenem zeigst. Mach‘ dich drauf gefasst und wappne dich. Und nimm Feedback als das, was es ist: eine subjektive Wahrnehmung des Gegenübers, auf die Sache bezogen, nicht auf dich als Mensch.

Tipp 2: erwarte kein Lob von anderen, rechne nicht mit Anerkennung. Solltest du doch was Positives gesagt bekommen, umso schöner.

Tipp 3: Wenn Du etwas von dir ‚in die Welt bringst‘ und anderen Leuten zeigst, sage deutlich, ob du ‚kritisches Feedback und Fehlerauffindung‘ möchtest oder nicht (leider fragt nicht jeder).

Tipp 4: Setze den Personen, die ungebeten Negatives in deinen Garten kippen, eine freundliche, doch deutliche Grenze.

Tipp 5: Sei weise und klug, zu welchem Zeitpunkt und mit welchen Menschen du deine Werke teilst. Pass gut auf dich und dein Werk auf!

Tipp 6: Einatmen. Ausatmen. Es ist dein ‚Baby‘ (und nicht das der ‚Allgemeinheit’) und Schritt für Schritt gehst du voran.

Tipp 7: Freue dich am Unperfekten, ja, umarme es sogar!

Tipp 8: Wenn du ein qualifiziertes Korrekturlesen von jemandem mit Ahnung in Anspruch nimmst, wertschätze die Person auch entsprechend für ihren Aufwand.

 

Geben:

Tipp 1: Bedanke dich bei der Person, die dir ihr Vertrauen schenkt und sich verletzlich macht, indem sie dir etwas von sich zeigt.

Tipp 2: Frage dann, ob die Person gerne dein ‚korrigierendes Auge‘ möchte, oder ob sie es einfach so mit dir teilen möchte, aus Freude und Mitteilungsbedürfnis.

Tipp 3: Falls du gravierende Fehler findest, frage kurz, ob du dies benennen sollst;  ansonsten halte dich zurück mit Fehlerauffindung.

Tipp 4: Sieh’ den Menschen hinter dem Werk und drücke Wertschätzung aus. Was kannst du Gutes, Schönes, Hilfreiches darin sehen?

Tipp 5: Unterscheide zwischen 1. faktischen Fehlern (Rechtschreibung, Interpunktion, Typo), 2. inhaltlichen Unklarheiten und 3. deinem subjektiven Geschmack. Nicht jede dieser drei Kategorien muss mitgeteilt werden.

Tipp 6: Biete der Person ggf. an, für sie Korrektur zu lesen, wenn sie es möchte. Dies ist eine wertvolle Arbeit für sich und erfordert etwas Zeit und Geduld.

Tipp 7: Freue dich ganz unbefangen einfach mit und halte es aus, nichts Kritisches äußern zu müssen. Dein Feedback ist dennoch (ge)wichtig! 🙂

Ich plädiere dafür, daß wir etwas neu Geschaffenes, etwas, das FRISCH AUF DIE WELT GEKOMMEN IST, erstmal einfach nur feiern! Und und uns gegenseitig darin ermutigen, gerade auch die ‚vermeintlichen Fehler‘ lachend zu umarmen. Denn oft sind sie wichtige Zwischenetappen auf dem Weg zu einem größeren Ziel.

Amen. 🙂

Eure Solveig

PS- Welche Erfahrungen hast du schon mit ‚Feedback auf neu Erschaffenes‘ gemacht? Ich freue mich über Kommentare und Austausch hier im Blog.

Melde dich gerne auch für meinen ART-Letter an, dann bekommst du von mir in (unregelmäßigen, eher großen) Abständen Mails von mir mit Inspirationen, Geschichten und Tipps rund um Kunst, Malerei, Kreativität, Kreativgemeinschaft … u.a.m. Ab und zu auch eine Einladung und immer die Infos, wenn ich wieder etwas Kreatives anbiete. Vom Art-Letter kannst du dich jederzeit mühelos abmelden, aber das wäre ja schade! 🙂

Außerdem gibt es auf Facebook meine ‚Kunst auf’s Herz‘ Gruppe, in die du auch gerne kommen kannst. Einfach bei Suche ‚Kunst auf’s Herz‘ eingeben.


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